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Fleischervorstadt-Impressionen einer Stadtteilkonferenz
 
War das nicht ein ausgesprochen schöner Apriltag an dem die 2. Stadtteilkonferenz der Fleischervorstadt Greifswalder Heimatgefühligkeiten wecken sollte? Offenbar war der gelbe Tag zu schön um Menschen, die auch Anwohner hätten sein sollen, in die Arme unser aller Quartiermeister bzw. -manager zu treiben. Mit anderen knappen Worten beschrieben: es kam keine Sau! Bürgerbeteiligung ist ein ganz schön langer, wenn auch nützlich-verträumter Terminus geblieben. Woran es lag wurde kaum besprochen. Wir, als arme IKUWO-ianerINNEN, hatten ja auch nur durch Zufall von der Konferenz erfahren. In vierfacher Ausfertigung traten wir dennoch unglaublich offensinnig an und waren mit einem Mengenanteil von mehr als 25% quantitativ recht gut aufgestellt. Insgesamt rekelten sich, die Pressenotare nicht mitgerechnet, gerade mal 15 Menschen (den Quartiermanager mitgezählt) auf den neuen Stühlen im Kinosaal des Koeppenhauses. Eine Beteiligung die Mut machen sollte, und in Anbetracht des wunderbaren Wetters extrem entschuldbar sein könnte. Mäkler würden u.U. etwas von ungenügender Bewerbung faseln, aber das wären wie gesagt nur Mäkler...
Unser Quartiermanager, Herr Töns Föste, leitete, oder besser litt, diese 2.Konferenz. Nachdem es einem fähigen Mann aus dem schütteren Auditorium gelungen war die Technik in den Griff zu bekommen, informierte uns ein aufschlussreicher Film über die katastrophalen Zustände die das Viertel noch im Jahr 1992 ertragen musste. Ein wahrer Horrortrip gebleckter Bordsteinleisten, deren Eckzähne selbst gut trainierten Arbeitslosen zum Verhängnis hätten werden können. Daneben ab-er Putz, Graffitti-Schmierereien, Papp-Trabanten, Autowracks, Passanten grau, Schimmel und Krater, Feuchte und gesenkte Blicke ziellos migrierender Randgruppen, die in diesem, ich sage mal, Bosnien, ihre Notdurft umfriedeten... Harte Zeiten damals. Nach diesem Foltervideo, auf dem übrigens nicht nur Schandstellen sichtbar wurden, wurde ersteinmal heftig durchgeatmet und Bilanz gezogen. Und offenbar wurde ein Schimmer aus Hoffnung, der hell wie frische Farbe, von Exklusiv-Fassaden blinkt. Viel von dem was folgte blieb mir unaufschliessbar. Dort redete man von Ordnung, Sauberkeit, Parkplatzparadiesen, wildem Skaten und Plakettenkultur. Von Bordsteinkatastern erfuhr man genau so wie von Hundetoiletten, Parkgebühren, Lärmimmissionen oder Fassadenbegrünung. Und plötzlich konnte ich sie sehen die heimelige Vision eines kleinen Stadtteils, eines Stettl`s gar, mit Fiddlern auf jedem früh dampfenden Dach, die so duftig wie frische Laiber Brot in die Morgensonne atmen. Oh heilig-heile Welt des "Schönen Guten Morgen-lieber Herr Nachbar" Sagens. Des sorglos frohen Einparkens. Der harmonisch- abfalllosen Hundespaziergänge. Der freundlich-verantwortungsbewussten Auf-Die Schulter-Tipper, die möglichst in lustigen Verschen auf harmlose Verfehlungen hinweisen. Tut mir Leid, die Sache mit dem Bonbon-Papier! Wirklich; ich will dafür den Gehweg harken. Alte, Schwache, Kranke, (ja selbst ich) finden ein Heim hier, wo jeder geht als würde er Kerzen vor sich her tragen. Die Muse lebt hier, gleichsam aus dem Schatten herrlicher frischer Fassaden-Pflanzen, treibt ein ruhig versonnener Friede und summt ganz still, fast bescheiden so für sich hin. Die Männer wenden Würste, die Frauen trocknen sich erdige Hände vom Blumengiessen an karierten Dederonkittelschürzen (äh nee was ist das jetzt immer; Sisal oder Leinen-Reisstroh-Stoffe?). Ganze Hausgemeinschaften jäten sich durch Wochen. Versponnene Träumer lustwandeln durch Strassen an deren Namensschildern hilfreiche Hinweise zu Historie und Bedeutung dieses oder jenes Steines angebracht sind. Wie Bienen so emsig wird in Mittelstandshaushalten dieses klassenlosen Biotops an der Ausrichtung eines bunten, ausgelassenen, intergenerativen und umweltgerechten Stadtteilfestes getüftelt. In grünen Höfen voller alter Birnbäume wippen oder schaukeln ausgelassene Kinder. Nun, einige buddeln vielleicht, aber alle tun sie grundsätzlich Artiges. Und die Jugend? Ach, Vater, ach Mutter, ihr braucht eure Ruhe. Kommt ich sing noch ein Lied euch zur Gitarre. Und ein gutes Gläschen Rotwein würde nicht verachtet und an der Ecke bei Tante Emma gäbs biologisch dynamische Gutmenschenfood odern Schnack. So glänzt es aus den Augen seliger Seher. Bis die Idylle zerreisst und nackt, brutal und rissig sich die Realität menschlichen Seins enthüllt. Der grösste Feind dieses schönen Traums hat viele Namen. Im Prinzip könnte man ihn unter dem Begriff Skateboard zusammenfassen. Skater und diese, wie sagt man; Studenten, Sprayer, Sozialfälle, Banden- oder Bandmitglieder, Hundehalter, Raucher, Jogger, Fahrradfahrer, querulente Passanten, Drückeberger, Madigmacher, Nachtfalter... Ich bremse mich hier. Ein Leitbild wurde überdeutlich. Stadtkultur in oben geträumtem Sinne wird schwer bezahlbar bei Auftreten solcher Komplikatoren. Der ideale Stettlbewohner arbeitet auf Jahre beim Amtsgericht und lebt in einer dieser netten Wohnschachteln, natürlich Eigentum, wie in der Böhmkestr.. Und, so konnte berichtet werden, dass die Richtung bereits stimmt. All jene Randgruppen, Schattenexistenzen, Gullikommunarden fangen an zu verstehen und ziehen fort aus der aufgeräumten Vision. Der Gestank der Schandstellen beginnt abzuwehen. Man muss sich doch nur mal die Burgstrasse 5 anschauen. Also wirklich! Bauarbeiten insbesondere im Bereich der Strassen, in Sonderheit der Bordsteine, werden weitergeführt. Zündstoff bot das Wort Skateboard. Das Thema Skateranlage auf dem Nexöplatz, wurde aufgrund seiner Kontroversität und vor allem wegen der unabsehbaren gesundheitlichen Folgen für den anschäumenden Homo cholericus, der seine Rechte aber wenigstens anwesend vertrat, relativ kurz und harmonisch abgebogen. Der arme Mann, und ich möchte das Problem wirklich nicht herabwürdigen, beschrieb sich selbst als ein Opfer der Jugendkultur. Seit Jahren befindet er sich auf der Flucht. Der Lärm, Lärm, überall Lärm. Den Tinitus im Ohr, suchte und suchte er ein neues Domizil. Nach etlichen Wohnungswechseln hat er sich endlich am Nexöplatz niedergelassen, bereit der Stille und dem Fassadengrün einen Altar zu errichten. Und nun das! Ein Skaterpark vor seiner Nase! Ja ist denn die ganze Welt verrückt geworden? Ein wahrer Vertriebener. Protagonist einer totgeschwiegenen Minoritäts-Problematik. Ich frage mich, wie viele Vertreibungen müssen noch stattfinden bis endlich mal etwas getan wird? Es fängt immer ganz harmlos an; aber dann kommen sie mit ihren Ghettoblastern...
Dennoch wurde deutlich, dass die Mehrheit der Anwesenden dem Skatepark-Projekt am Nexöplatz aufgeschlossen gegenüber steht. Kurz wurde auch über die Sprayerszene geredet. Ein besorgter Mensch frug nach, ob denn schon einmal einer dieser Schmutzfinken gefangen und verurteilt wurde. Man konnte wittern wie sehr es diesem Mann nach einem Exampel gelüstete. Fast war ich drauf und dran vorzuschlagen, man könne ja einen medienwirksamen Schauprozess mit anschliessender Scheinexekution inszenieren. Gegen Entgelt und neue Identität wären verschwiegene Probanden sicher leicht zu finden... Ein Tip des Quartiermanagers erschien mir noch wissenswert. Und zwar werden Graffitti-Beseitigungskosten teilweise und unbürokratisch aus Mitteln der Sozialen Stadt übernommen. Tut sich da vor uns ein unerschöpflicher Honigtopf auf? Nachdem zur allgemeinen Beruhigung noch etwas über Tiefgaragen und Papierkörbe geredet worden war, wurde als schulterklopfendes Kontrastprogramm ein weiteres Video aus Schülerhand vorgeführt. Fazit: Ja, diese Welt befindet sich offensichtlich auf dem Weg der Besserung. Ich will die Erfolge des Soziale Stadt-Programms hier nicht klein reden. Immerhin gibt es ja das IKUWO das zwei seiner Mitarbeiter für die Viedeo-Dreharbeiten des 2.Filmes zur Verfügung gestellt hatte (nur einer durfte was sagen...).
Mit fröhlichen Mottos und fernöstlich vergorenen Weisheiten, beendete der Quartiermanager diese 2.Stadteilkonferenz, die an Fruchtbarkeit und Produktivität kaum zu toppen sein wird. Das Abendbrot am Ende war jedenfalls lecker. Und die Welt die aus mitnehmbarer, kostenloser Broschur greift, kommt dem Traum vom idealen Stettl ganz verdächtig nahe. Na, ich jedenfalls suchte meine bezahlbar-heimische Schandstelle in der Burgstrasse auf und fing an mich und alles andere sauber zu machen... Dieser Dreck, Schmutz, das Bordgestein...... Hilfe Herr Quartiermanager!!!

 
 
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