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Von der Demagogie der Bratwurst

Wie die NPD in Greifswald Nachwuchs rekrutiert

Die Kinder freuen sich und die Eltern haben einen Moment ihre Ruhe. Irgendwo zwischen Greifswalder Neubaublocks stopfen die Kleinen alles rein, was zu haben ist. Eis, Bratwurst und Kuchen, Kekse und anderes Naschzeug... Schließlich kostet es ja nichts. Jemand verteilt kostenlos Süßigkeiten und Essen an Kinder - jemand? Die Szene ist ganz unscheinbar, niemand sollte etwas Böses denken- doch weit gefehlt. Dies ist eine Momentaufnahme der neuesten Taktik der NPD in Greifswald. Häppchenweise und in Essen verpackt, versuchen sie neuerdings den jüngsten GreifswalderInnen ihre Propaganda einzutrichtern. So geschehen am 2. Juni bei einem „Kinderfest“ des NPD- Kreisverbandes. Wochenlang vorher hatten NPD- Mitglieder in den Neubauvierteln mit Flugblättern die kostenlose Verteilung angepriesen. Da die Gratisfressalien nur für Kinder bis zu 12 Jahren bestimmt waren, konnte die NPD genau die erreichen, die am Leichtesten zu beeinflussen sind. Ein Häppchen von der NPD und wieder jemand, der später sagen wird: „Die NPD ist doch gar nicht so schlimm.“ Dass ausgerechnet aus besagter NPD und deren Umfeld nachweislich u.a. die Mörder des Obdachlosen Eckard Rütz stammen, wissen sie nicht. Ihre Eltern offensichtlich auch nicht, denn die sind es, die ihre Kinder an diesem Tag zur NPD lassen. Einige geben an, lediglich dem Drängen der Kinder nachgegeben zu haben, andere wussten gar nicht, wer hinter der Aktion steht und wieder andere geben offen zu, dass sie keinerlei Probleme damit haben, dass ihre Kinder von der NPD beköstigt werden. Einzige Beschwerde einiger Eltern ist es dann auch, dass die Neonazis nur kostenloses Essen verteilen würden, aber ansonsten keine Spiele anböten, die ja eigentlich zu einem Kinderfest dazugehörten. Ob diese Eltern die Aufrufe der Stadt und des Bündnis gegen Rechts gelesen haben, ist fraglich, doch auch vor Ort werden sie von niemandem über die menschenverachtenden Machenschaften der NPD aufgeklärt. Es gibt keine Gegenveranstaltung zum „NPD- Kinderfest“ noch nicht einmal nennenswerte Proteste. Dies ist mittlerweile ein typisches Gesicht der neuen Methoden der Neonazis in Greifswald, die sich fortlaufend verändern. Zwar geraten die NPD Informationsstände, die vor einigen Monaten noch regelmäßig durchgeführt wurden, in Vergessenheit und werden, wohl aufgrund mangelnden Interesses und anhaltender Proteste, nicht mehr aufgebaut. Dafür hat es die NPD nun auf Jugendliche und Kinder abgesehen, die sich bekanntlich wesentlich leichter beeinflussen lassen als Erwachsene. Wie die NPD im gesamten Bundesgebiet, so versucht auch der Kreisverband Greifswald unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit die eigene Partei als verfolgte und unterdrückte Stimme der „schweigenden Mehrheit“ darzustellen. Dabei schlägt der Kreisverband ganz neue, perfide Wege ein. Statt mit plumpen Parolen und gewalttätigen Aktionen in der Öffentlichkeit richtet die Gruppe ihre Aktivitäten ganz nach dem internen NPD- Programm „Der Kampf wird härter“ aus. So spendet sie alljährlich Spielzeug und Altkleider für ein Greifswalder Kinderheim, veranstaltete zahllose „Informationsstände“ und baute eine rechtsextreme Schülerinitiative auf. Mit Schlips und Kragen, Süßigkeiten und Bratwürsten sollen die GreifswalderInnen an die NPD herangezogen werden. Doch die wahre Haltung der NPD-Mitglieder ist klar erkennbar. Ihr Aufmarsch am 14. Januar war im Vorfeld wegen der hohen Vorstrafen der gemeldeten Ordner zunächst verboten worden. Unter den Vorstrafen finden sich versuchter Mord, schwere Körperverletzung und Landfriedensbruch, Volksverhetzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und illegaler Waffenbesitz. Der Kreisvorsitzende Maik Spiegelmacher verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe u.a. wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes. Auch die Mörder des Obdachlosen Eckard Rütz stammen aus dem Umfeld der NPD. Einer von ihnen war Parteimitglied. NPD organisiert sich an Schulen Ein weiteres Beispiel verstärkter Konzentration auf Jugend und Kinder ist die Gründung einer rechtsextremen „Schülerinitiative für freie Meinungsäußerung und –bildung“, die bereits vor einigen Monaten für Schlagzeilen in der überregionalen Presse sorgte. An einer Greifswalder Real- und Hauptschule fand sich eine Gruppe jugendlicher Neonazis zusammen, die seit geraumer Zeit gegen die angeblich politisch motivierte Benotung seitens der LehrerInnen und gegen ausländische MitbürgerInnen hetzen. Über die eigene Internetseite, über eine weitere rechtsextreme Seite der Region, über den lokalen NPD-Kreisverband sowie über Flugblätter versucht die Gruppe, die Öffentlichkeit zu erreichen. Die SchülerInnen und BürgerInnen der Hansestadt ignorieren die Gruppe weitestgehend oder lehnen sie ab. Der Motivation der Beteiligten scheint dieser Umstand nicht abträglich zu sein. Sie organisieren „Informationsstände“ vor ihrer Schule, sammeln Unterschriften und werben neue Mitglieder. Carolin Beetz, Vorsitzende der Gruppe, ist Schülerin der Friedrich-Engels-Schule und eine gute Freundin des NPD- Kreisvorsitzenden Maik Spiegelmacher. Sie wurde beim NPD Aufmarsch am 14. Januar von den „Freien Nationalisten“ für hervorragende Arbeit ausgezeichnet. Die Blumen und einen Handschlag von Axel Möller ( führender „Freier Nationalist“ in Vorpommern) erhielt sie, weil sie sich eifrig an der Unterschriftensammlung „gegen den weiteren Zuzug von Ausländern nach Schönwalde“ beteiligt hatte. Auch sonst arbeiten die „Schülerinitiative“ und die NPD eng zusammen. Einige Mitglieder der Initiative traten schon als Handlanger bei NPD- Informationsständen und -Demonstrationen in Erscheinung und Beetz brüstete sich vor Journalisten damit, dass sie sich wöchentlich mit Spiegelmacher träfe, um „das weitere Vorgehen“ zu besprechen. Trotz dieser augenscheinlich engen Kontakte distanziert sich Beetz, möchte nicht als „Rechte“ oder gar als Neonazi bezeichnet werden. Weder sie noch die „Schülerinitiative“ seien „rechts“. Nach dem NPD Aufmarsch am !4. Januar kündigte die Schülerinitiative eine eigene Demonstration unter dem Motto „Gegen Schulschließungen“ an. Wie auch das Kinderfest, sollte dieses unverfängliche Motto unwissende Eltern und SchülerInnen anlocken. Für die Demonstration wurde sowohl über die Internetseite der NPD als auch wieder über eine weitere rechtsextreme Seite mobilisiert. Sowohl die Mobilisierung als auch der bekannte Trick des Wolfes im Schafspelz zeigt eindrücklich die enge Verbindung zwischen der NPD und der „Schülerinitiative“. An der Demonstration nahmen nur etwa 50 bis 60 Neonazis teil. Darunter vor allem Mitglieder der Greifswalder NPD und aus Stralsund angereiste „Freie Nationalisten“ unter ihnen auch wieder Axel Möller (s.o.). Pommernfahnen schwenkend, zog dann der Trupp unter Polizeischutz durch die Straßen des Neubaugebietes Schönwalde. Begleitet wurde die Demonstration von etwa 12 Jugendlichen, die lautstark protestierten, so dass die Reden von Beetz und Rupprecht (Stralsunder Neonazi) im Lärm untergingen. Andere SchülerInnen und Eltern hatten sich nicht eingefunden. Wahrscheinlich weil sowohl die Stadt als auch das Bündnis gegen Rechts Aufrufe gestaltet hatten, die über die wahren Hintergründe und Hintermänner der Veranstaltung aufklären sollten. Viele Menschen zeigten sich enttäuscht über den geringen Protest. Vereinzelt wurde auch Kritik am Vorgehen der Stadt laut, die nur appelliert hatte, vom „Kinderfest“ und der Demonstration fernzubleiben, aber nicht wie am 14. Januar zum Protest aufgerufen hatte. Multikultifest der Uni Angesichts dieser Ereignisse und zahlreicher Übergriffe auf ausländische Studierende in Greifswald organisierte die Universität der Hansestadt kurzfristig ein Multikultifest auf dem Marktplatz. Es stellten sich viele alternative und antirassistische Projekte und Vereine vor. Im weiteren Verlauf spielten „Putensen und Band“ spontan mit einer togolesischen Trommelgruppe und einem irischen Gitarristen zur Freude der etwa 300 GreifswalderInnnen auf. Die Aktivitäten der NPD gehen weiter. Sie hat einen Aufmarsch am 1. September angemeldet. Schon jetzt werden Protestaktionen geplant. Nachdem das Motto am 14. Januar „Aufstehen gegen Menschenverachtung“ lautete, steht das inoffizielle Motto für den 1. September bereits fest: „Hinsetzen gegen Menschenverachtung“!

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Infobox:

NPD auf getarntem Propagandafeldzug

Die biedere rechtsextreme "Schülerinitiative" aus Greifswald, die nunmehr auch Ableger in Waren gefunden hat, dreht wieder mal an den Hebeln der Propaganda. Die Neonazis um Carolin Beetz und Hannes Gerlach haben angeblich eine Schülerzeitung erarbeitet, die sie zum Anfang des kommenden Schuljahres an "fast" allen Greifswalder Schulen verteilen wollen. Wieder einmal geben sie sich dabei als arme Verfolgte, als wahre Demokraten und vor allem als einzige Aufständige gegen eine permanente "Pressehetze". Selbst wenn die schnell aus dem Boden gestampfte Internetseite auf den ersten Blick gar nichts verrät, fällt die gestalterische Ähnlichkeit mit der Greifswalder NPD Seite und der Seite der Schülerinitiative auf. Kein Wunder, kommen all diese Aktivitäten doch aus den selben braunen Kreisen. Auch der Druck der Zeitung wird von der NPD gesponsert. Um nicht gleich als rechtes Propaganda- und Hetzblatt enttarnt zu werden, haben sich die jungen Rechten mal wieder einen dicken Schafspelz übergezogen. Die Titelseite der Zeitung sieht so grau und unverräterisch aus, wie das abgebildete Schulhaus, in dem sich die Neonazis, von der NPD gesteuert, schon seit einiger Zeit relativ ungestört ausbreiten können. Die NPD fährt damit weiter ihre Schiene der "Demagogie der Bratwurst", indem sie gerade Jugendliche und Kinder durch gezielte Propaganda und harmlos klingendes Engagement zu beeinflussen versucht und eine rechte Jugendszene aufbauen will. Kinderfest und Schülerinitiative, Schülerzeitung und Internetseiten, hinter allem steht zweifellos die NPD mit Maik Spiegelmacher an der Spitze und Axel Möller als Vordenker und Befehlsgeber im Hintergrund. Das Niveau der Zeitung, dass sich möglicherweise am gewohnten Stil der Schülerinitiative orientieren wird, die bereits über rechtsextreme Internetseiten gezielt gegen LehrerInnen ihrer Schule hetzte, möchte der gerade von den NorddeutschenNeuestenNachrichten gefeuerte Lutz Dessau etwas heben. Da nun arbeitslos, wird der NPD-Kader, der auch mal gerne auf dem Landesparteitag der NPD über Mitgliederschulungen zu Themen wie Wirtschaft und germanische Mythologie referiert, der Schülerzeitung als freier Mitarbeiter unter die Arme greifen. Dass damit noch ein mittlerweile bekannter Rechtsextremist aus Mecklenburg-Vorpommern an dem Blatt mitarbeitet, macht die eigentliche politische Ausrichtung der Zeitung noch deutlicher. Chefredakteur des Blattes wird nach Angaben der Schülerinitiative ein Terence Freibier sein.


(Stand 29.08.2001)

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