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Kommen wir morgen
noch sicher über die Straße?
Das neue Polizeigesetz
in Mecklenburg-Vorpommern
Nun gilt es schon
seit über einem Jahr, das neue Sicherheits- und Ordnungsgesetz MV (SOG-MV).
Neben einigen begrifflichen und logischen Klarstellungen sind sehr viele
der Veränderungen des SOG weitere Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten.
Immer
wenn in die Grund- und Freiheitsrechte von Menschen eingegriffen wird,
darf dies nur dann geschehen, wenn dies in einem Gesetz ausdrücklich geregelt
ist. Polizei und Ordnungsbehörden greifen durch ihr Handeln in Grund-
und Freiheitsrechte der Menschen ein. In welcher Weise diese Eingriffe
möglich sind, regelt jedes Bundesland durch jeweils ein eigenes Polizeigesetz,
was in Mecklenburg das SOG ist. Die Polizei ist zwar Ländersache, trotzdem
sind sich die Polizeigesetze der Bundesländer sehr ähnlich. Mit dem neuen
SOG-MV hat die SPD-PDS geführte Landesregierung die Politik des Abbaus
liberaler Grund- und Freiheitsrechte fortgesetzt. Im Folgendem werden
einige Gesetzesverschärfungen dargestellt. (Wenn nach einer Paragraphenangabe
kein spezielles Gesetz angegeben ist, handelt es sich um das SOG-MV).
- Nach §27 (Allgemeine
Befugnisse zur Datenerhebung) können nun Notrufe mitgeschnitten werden,
d.h. egal ob man bei Feuerwehr, Polizei oder anderen Rettungsdiensten
anruft, man muss damit rechnen, dass die Gespräche mitgeschnitten werden.
Spätestens nach 6 Monaten müssen diese gelöscht werden, es sei denn,
es wird mit den Aufzeichnungen ermittelt.
- Der §27a (Polizeiliche
Anhalte- und Sichtkontrollen) wurde neu eingeführt. Danach können Personen
im öffentlichen Verkehrsraum angehalten und die mitgeführten Sachen
angeguckt werden. Dies darf aber nur im Grenzgebiet (30km, auch die
Ostsee ist Grenzgebiet) oder in öffentlichen Einrichtungen des internationalen
Verkehrs mit unmittelbarem Grenzbezug (z.B. Zollämter, auch an den Häfen!)
erfolgen. Diese polizeilichen Rechte sind auch in Regionen möglich,
die praktisch keinen Grenzcharakter haben (Rostock, Wismar usw.). Auch
zur vorbeugenden Bekämpfung von erhebliche Straftaten (§49) sind diese
Maßnahmen möglich.
- Nach §28II (Befragungs-
und Auskunftspflicht) ist nun eine Befragung durch die Polizei auch
dann möglich, wenn keine bevorstehende Gefahr vorliegt. Bei einer Befragung
nach §28II sind nur Name, Vorname, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift
und Staatsangehörigkeit anzugeben.
- Zum Zwecke der
Orts- oder Identitätsermittlung kann die Polizei nach dem neuen §41II
(... Bekanntgabe an die Öffentlichkeit) Daten einer Person öffentlich
bekannt machen, wenn es um Leib, Leben oder Freiheit einer Person geht
oder wenn zu befürchten ist, dass eine Person erhebliche Straftaten
(§49) vornimmt und ein milderes Mittel nicht einsetzbar ist.
- §46 (Prüffristen)
legt fest, dass die Datenspeicherung von Personen nach bestimmter Zeit
überprüft werden muss, also ob die weitere Speicherung zulässig ist.
Nach der neuen Fassung muss bei Sexualdelikten (außer §§ 183a, 184,
184a, 184b StGB) und bei Mord und ähnlichem (§§ 211 bis 213, 223 bis
227 StGB) erst nach 15 Jahren (früher 10 Jahre) geprüft werden, ob eine
weitere Datenspeicherung zulässig ist.
- In § 49 werden
die erheblichen Straftaten (Straftaten von erheblicher Bedeutung) aufgezählt.
Dort sind nach neuer Fassung neue Straftatbestände als erheblich eingeordnet
worden. Dazu kamen: §§86 und 86a (Verbreitung von Propagandamitteln
verfassungswidriger Organisationen und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen), §130 (Volksverhetzung), §310 (Vorbereitung eines Explosions-
oder Strahlungsverbrechens), aber auch die Körperverletzung (§224) kann
eine erhebliche Straftat sein, wenn sie serien-, banden-, gewerbsmäßig
oder sonstwie der organisierten Kriminalität zuzuordnen ist. Bei der
Erweiterung von §49 muss man berücksichtigen, dass Grund- und Freiheitsbeschränkungen
sich erst in Verbindung mit anderen Maßnahmen nach SOG-MV ergeben. Die
Straftaten sind ja noch gar nicht passiert, sondern die Polizei macht
sozusagen eine Prognose, ob erhebliche Straftaten zu befürchten sind.
Auch wenn sich später herausstellt, dass eine solche erhebliche Straftat
nicht zu befürchten war, konnten die Grund- und Freiheitsbeschränkungen
rechtmäßig erfolgen.
- Sehr bedenklich
stimmt auch, dass mal wieder §52 (Platzverweis) erweitert wurde. Der
Platzverweis ist nach seiner Art ohnehin ein willkürliches Mittel und
schränkt (so massenhaft wie das Mittel verwendet wird) Grund- und Freiheitsrechte
der Menschen erheblich ein. Der Polizei ist es so möglich, den öffentlichen
Raum von missliebigen Personen zu räumen. Auch wenn der Platzverweis
rechtswidrig erfolgt, gibt es keine sofortige Möglichkeit, diesen aus
der Welt zu schaffen. Zwar dürfen Platzverweise nur vorübergehend ausgesprochen
werden, was mitunter aber letztlich fast alles heißen kann. Gerade die
Castortransporte zeigen, wie umfassend das Mittel des Platzverweises
missbraucht wird. Im neuen §52III wird dann auch geregelt, dass Platzverweise
zulässig sind, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Straftat an einem
bestimmten Ort erwarten lassen. Solche Platzverweise sind bis zu einer
Dauer von drei Monaten zulässig.
- Nach §55 (Gewahrsam
von Personen) können auch Personen in Gewahrsam kommen, die Transparente,
Flugblätter oder sonstige Aufforderungsmedien bei sich führen, die Polizei
muss nur eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit befürchten und die Gewahrsamnahme
als unerlässlich erachten. So könnte das Transparent „Stoppt die Nazis“
schnell zur Ingewahrsamnahme führen.
Diese Grund- und Freiheitsbeschränkungen
sind schon lange vor dem 11.09.2001 beschlossen worden. Die nun von der
Bundesregierung vorgelegten Antiterrorgesetze sind weitere Schritte von
einer repräsentativen Demokratie zu einer repressiven Staatsform. Es gibt
in der Bundesrepublik Deutschland keinerlei Gründe, Grund- und Freiheitsrechte
weiter einzuschränken - undemokratische und menschenverachtende Zustände
lassen sich nicht durch Grundrechtsaushöhlungen bekämpfen. Es wird deswegen
keinen extremen Rechten und keinen rechten Fundamentalisten weniger geben,
im Gegenteil.
Kay Nadolny
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