Mütra contra Mieter

Ein Lehrbeispiel zum Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus

Noch ist der Fall nicht abgeschlossen. Aber so oder so, die Mieter sind sauer. Dabei hätte alles so einfach sein können: man beschwert sich über Mißstände und beseitigt sie. Denkste!

Die Wohnungsverwaltung Greifswald (WVG) vermietet zum einen Wohnraum, zum anderen verwaltet sie private Häuser oder Häuser deren Eigentumsverhältnisse noch immer nicht geklärt sind. Vom Mieter erhält sie einerseits die Miete. Davon finanziert sie den eigenen Verwaltungsapparat. Zum anderen kassiert sie die Betriebskosten. Damit soll das Haus in Schuß gehalten werden. Hierfür engagiert sie diverse Firmen. Müllabfuhr, Straßenreinigung und Hausmeisterdienste gehören dazu. Für die Hausmeisterdienste war bis Ende des Jahres 1999 die profiglas GmbH zuständig. Mit ihr gab es keine Probleme. Die Häuser wurden gepflegt und über die Jahre gingen die Kosten für die Pflege sogar zurück. Dennoch wechselte die WVG die Firma. Seit Januar 2000 übernimmt nun die MÜTRA verschiedenste Aufgaben. Durch ein Hauswartssystem sollte sich die Situation verbessern. So schrieb die WVG noch in ihren Veröffentlichungen im Vorfeld: „Die Tätigkeit der Hauswarte ist von großer Bedeutung für die Identifikation der Mieter in ihrem Wohnbereich. Aktivität bzw. Passivität im Benehmen der Hauswarte werden durch die Mieter unmittelbar zur Kenntnis genommen und prägen damit im entscheidendem Maße die Mieterzufriedenheit sowie letztlich das Image unseres Unternehmens." (miteinander LEBEN 3/99) Mieterzoff bahnt sich an Einige Mieter bekamen schon damals Bauchschmerzen. Zu Recht, wie sich nun herausstellen sollte. Mit dem Wirken der MÜTRA haben sich die Betriebskosten in verschiedenen Häusern erheblich erhöht. Dies wollten einige Mieter nicht hinnehmen. Sie wandten sich unabhängig voneinander an die WVG, um zu einem erträglichen Niveau der Betriebskosten zurückzukehren. Diese leitete die Schreiben scheinbar direkt an die MÜTRA weiter. So reagierte die MÜTRA auf eine Eingabe mit einem Brief, indem einer der Mieter direkt erwähnt wurde, und ihm „vorgeschlagen" wurde, mehr für die Ordnung und Sicherheit im Haus zu tun, um die Betriebskosten zu senken. Befremdet über das Vorgehen von MÜTRA und WVG, machte die Geschichte schnell die Runde im Haus. Im Ergebnis wurde eine gemeinsame Eingabe erarbeitet, in der detailliert auf in Rechnung gestellte Arbeiten hingewiesen wurde, die nicht geleistet wurden: So wird bei den Aufgaben der MÜTRA die tägliche Entleerung des Hauswartbriefkastens aufgeführt und in Rechnung gestellt, der zumindest in dem betreffenden Haus gar nicht vorhanden ist. Es wurde auch angefragt, inwieweit nicht die Arbeiten von der MÜTRA direkt übernommen werden könnten. So ist es zum Beispiel kein Problem, wenn in den Häusern die Überprüfung der Beleuchtung im Treppenhaus, im Keller und auf dem Dachboden von Mietern selbst vorgenommen wird. Und nicht zuletzt wurde auf die Sinnlosigkeit einiger Aufgaben verwiesen. So ist zum Beispiel ein täglicher Rundgang durch das Objekt, wie er mit der MÜTRA vereinbart wurde, mit Sicherheit nicht notwendig. Unregelmäßigkeiten sowie falsche Anrechnung geleisteter Arbeiten auf die Betriebskosten, die eigentlich von der WVG übernommen werden sorgten zusätzlich für Unverständnis bei den Hausbewohnern. Verschiedenste Arbeiten wurden mal hier, mal da abgerechnet, und das Austragen der Mieterzeitung in Rechnung gestellt. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und schien auch als erster Schritt in die richtige Richtung: Ohne mit der Wimper zu zucken gewährte die WVG den Mietern einen Kostenerlaß von 50%. Nicht schlecht, nur einen kleinen Haken fügte sie hinzu: einen Rechtsanspruch habe man nicht auf den Preisnachlaß, es handele sich lediglich um Kulanz der WVG. Zuckerbrot und Peitsche Und dann kam der Hammer: Ein Mieter, der sich als solcher an der Eingabe mit einer Unterschrift beteiligt hatte, wurde von der MÜTRA, bei der er einen Arbeitsvertrag hat, entlassen. Angeblich wegen betriebsschädigenden Verhaltens. Das wischte den ganzen Erfolg hinweg. Natürlich war den Mietern im Haus klar, daß die Situation für den MÜTRA - Angestellten eine Besondere ist. Es stellte sich auch heraus, das die Arbeit ihm Spaß macht. Der Umgang mit den Hausbewohnern und die Pflege- und Reparaturarbeiten liegen ihm. Auf der anderen Seite müßte es doch möglich sein, als Mieter seine Rechte in Anspruch nehmen zu können. Und so einigte man sich darauf, daß er sich lediglich mit einer Unterschrift beteiligt. Offensichtlich war der MÜTRA schon das zu viel. Was nutzt da der Rechtsstaat und die Möglichkeit, alle 4 Jahre einen „Vertreter" wählen zu dürfen, wenn jemand aufgrund seiner Position oder seines Eigentumsanspruches Menschen aus dem Produktionsprozeß ausschließen darf? Vielleicht ja die gerichtliche Entscheidung, daß das ganze nicht Rechtens war. Ein Verfahren dazu läuft. Aber selbst wenn es zugunsten des MÜTRA - Angestellten ausgeht - bei einer Wiedereinstellung hätte das Betriebsklima sicherlich einen Schlag bekommen und eine Abfindung kann den alten Zustand auch nicht ersetzen. Die Verantwortung der WVG Auch hier muß die WVG die Eingabe an die MÜTRA direkt weitergegeben haben. Paula Frohriep, tätig beim Landesbeauftragten für Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern, teilte auf Anfrage der Redaktion mit, daß es keine Rechtsvorschrift gibt, auf die die Weitergabe der Eingabe gestützt werden kann. Damit ist das Verhalten des Wohnungsunternehmens datenschutzwidrig. Die WVG hat scheinbar nur am Rande mit der Geschichte zu tun. Sie legt einfach nur die Betriebskosten auf die Mieter um. Dennoch muß gefragt werden, auf was für einen Vertrag sie sich mit der MÜTRA eingelassen hat. Die Abrechnung der MÜTRA erfolgt hausweise. Entsprechend unterschiedlich sehen die Betriebskosten für die einzelnen Häuser aus. Eine Obergrenze für die Kosten existiert scheinbar nicht. Auch können die Mieter nicht alle Arbeiten in Eigenverantwortung übernehmen. Ein Freifahrtsschein für die Kostenexplosion. Das drückt die WVG nicht direkt. Die Mieter müssen sich selber darum kümmern. Der Umweg über die WVG und die fehlenden Einflußmöglichkeiten auf die Leistungsvereinbarungen erschweren jedoch Veränderungen. Dennoch, weitere Blicke der Mieter in ihre Betriebskostenabrechnungen könnten helfen. Ob die MÜTRA dann noch so weiter macht wie bisher?

Frank Effenberger


  zurück zur Ausgabe 7 zurück zur Hauptseite