Axel Möller (rechts) sorgt jetzt für Durchblick - zumindest in einem türkischen Dönerladen
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Was sie sich selbst nicht zu fragen trauen

Nazis ließen sich über Nazis aufklären

Für zwei Wochen machte die Wanderausstellung „Neofaschismus in der Bundesrepublik“ in der Greifswalder Mensa am Wall Station. Auf insgesamt 28 Tafeln, bestehend aus kurzen Erklärungen und aktuellen Dokumenten unterschiedlicher Art wie Fotos, CD-Cover, Screenshots von Internetseiten, Aufklebern, Plakaten, Textauszügen und Katalogseiten, wurde versucht, die Ideologie des Neofaschismus darzustellen. Im Zusammenhang ergaben die Plakate ein erschreckendes Porträt des Neofaschismus in seiner ganzen Breite. Besonders interessant waren die zusätzlichen Tafeln mit regionalem Bezug. Sie klärten über die rechtsextremen „Köpfe“, Schülerinitiativen, Kameradschaften und Parteistrukturen auf. Insbesondere der Greifswalder braune Filz von Burschenschaften, NPD-Ortsverband, Junger Landsmannschaft Ostpreußen und Schülerinitiative wurde näher beleuchtet. Dass die Ausstellung auf reges Interesse traf, vor allem von außerhalb des studentischen Milieus, davon zeugten nicht zuletzt die vielen Einträge ins Gästebuch. Viele überflogen mal ein paar Ausstellungstafeln beim täglichen Gang in die Mensa. Ebensoviele nahmen sich aber auch Zeit, um sich in Ruhe alle 28 Tafeln anzuschauen. Natürlich war den Mitgliedern der örtlichen Naziszene die Ausstellung nicht entgangen. Nachdem bereits wenige Tage nach der Eröffnung zwei „Vorkoster“ losgeschickt wurden, sich die „linke Hetze“ mal genauer anzuschauen, fand sich ein Eintrag auf den Internetseiten der NPD. In etwas wirrem Deutsch wird von der Ausstellung berichtet, die sich „gegen kritische Schülerinnen und Schüler [richtet], welche nicht dem angloamerikanischen Bildungssystem sklaverisch Hingebung leisten.“ Das ist ja allerhand. Außerdem sei der Bildungsstand der Organisatoren lächerlich und die Erkenntnisse über die rechte Szene „Jahrzente alt“. Auch ein offensichtlicher Sympathisant der Burschenschaft Rugia empörte sich über die Ausstellung und kündigte gegenüber den AusstellungsbetreuerInnen rechtliche Schritte an. Auf den regionalen Tafeln wurden die Verbindungen zwischen organisierten Rechtsextremisten und der Greifswalder Studentenverbindung dargestellt (ein Artikel darüber aus der Sonderausgabe zum 1. September, ist hier nachzulesen). Einige Tage später schaute sich auch die Führung der Greifswalder (Papp-)Kameraden die Ausstellung an. Überraschend ruhig schlichen die Leibhaftigwerdung des auf den Tafeln dargestellten Problems (dies ist nicht nur abstrakt gemeint, schließlich fanden sich auch die Köpfe regionaler Häuptlinge auf den Bildern) durch die Mensa. Da sich auch vorsorglich Polizei in der Nähe aufhielt und niemand seine noch laufende Bewährung wegen einer Sachbeschädigung in eine Haftstrafe umwandeln wollte, blieben alle Tafeln unbeschädigt. Ein paar Tage darauf stattete auch der selbsternannte Führer der nationalen Szene Vorpommerns Axel Möller der Greifswalder Mensa einen Besuch ab. Die beiden Kreisverbände der NPD Stralsund und Greifswald hatten sich vor einiger Zeit von diesem Freien Narzisten im Streit getrennt. Und auch sonst scheint es einsam um den Stralsunder Kameraden geworden zu sein. Noch vor einigen Monaten wäre sein Mensabesuch sicher um einiges pompöser gewesen. In Reichsparteitagsmanier durch die Tür schreitend, umgeben von seinen Stralsunder und Greifswalder Kameraden, die seine Anweisungen entgegennehmen. Nur ein einziger Getreuer hatte sich mit ihm ins nunmehr feindliche Greifswald auf den Weg gemacht und beide schauten sich eher unauffällig die Ausstellung an. Momentan passiert eh nicht viel national Erhebendes in seinem Leben. Die Machtergreifung läßt auf sich warten, die an der eigenen Brust genährten Kameraden metamorphosieren zu intriganten Reptilien. Und er hat einen neuen Job: Er - das Schicksal kann manchmal so grausam sein - putzt die Schaufensterscheiben in einem türkischen Dönerimbiß in Stralsund. Die regionalen Tafeln sorgten bei einigen Besuchern für erstaunte Gesichter, sahen sie sich doch dem dort Abgebildeten leibhaftig gegenüber. Zumal Axel Möller auch wieder im klassisch-bekannten Outfit erschien (echte Fans wissen, was wir meinen). Nachdem er den nur für ihn geltenden Sonderpreis von 100 DM (sonst fünf) für einen Ausstellungskatalog doch nicht zahlen wollte, machten sich die beiden Besucher wieder von dannen. Hoffentlich für immer.


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