klicke auf's Bild
hier gibt's noch mehr Informationen
für mehr Infos klicke auf's Bild

Haste mal 'ne Mark? - Erlebnisse im Sozialamt

Im Sozialamt sitzen die glücklich Lohnabhängigen auf der Sozikohle als wäre es ihre Eigene. Wenn man daran denkt kommt es einem immer wieder wie kalter Kaffee hoch. Zu heißem Kaffee und Kuchen hatte dagegen Karl geladen, damit mal alle ihren Frust in Worte fassen können. Ein Gespräch, daß so nie stattgefunden hat.

Karl: Echt, ich bin da ziemlich blauäugig rein gegangen, soziales Netz, pah...

Jaqueline: Schon der Antrag war ja die totale Farce. Tausendmal mußte man hinrennen und irgendwelche Zettel einreichen. Und nie bekam man auch nur ein Antragsformular zu sehen, geschweige denn einen Nachweis, das man was abgegeben hat oder da war.

Karl: Erst mal heißt es ausziehen. Keine Chance - sie wollen alles von dir wissen, auch wenn es sie einen feuchten Kehricht angeht.

Renate: Also bei mir war das ja alles easy. Steffen ist hingegangen und alles war gebongt.

Karl: Vielleicht haben die ja bei euch mit dem Kind mehr Skrupel. Aber ich wollte ja noch nicht mal unbedingt Sozialhilfe, sondern nur Wohngeld.

Jaqueline: Wieso´n das? Karl: Na ich trabe so ahnungslos in die Wohngeldstelle und will eben Wohngeld. Da sagen die mir, um Wohngeld zu beantragen müsse man sein Einkommen nachweisen. Na ich hab doch keins, deswegen bin ich ja hier, sag ich. Zählt nicht. Erst müsse ich Arbeitslosenhilfe beantragen. Steht mir nicht zu. Trotzdem. Dann eben danach Sozialhilfe...

Jaqueline: Na und dann die Antragsbearbeitungen. Endlos... Damals, vor 4 Monaten hatte ich nämlich auch Wohngeld beantragt. Jetzt erst, nachdem das Sozialamt mir den Rücken gekehrt hat, krieg ich endlich bißchen Wohngeld. Da kriecht man schon fast auf dem Zahnfleisch. Find mal Arbeit auf dieser beschissenen Welt.

Peter: Ja, ich hab dann Jaqueline lieber ein Darlehen gegeben, aber das Sozialamt hätte sie wohl lieber auf der Straße gesehen. Die haben uns damit dann einen Strick gedreht und behaupten, wir würden in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben!

Karl: Was, Eure WG?!

Peter: Für die ist eine WG, wenn man getrennte Kasse führt, getrennte Fächer im Kühlschrank benutzt und keinen Sex miteinander hat. Stell´ Dir das mal in einer großen WG vor! (Andächtiges Schweigen.)

Jaqueline: Nee, aber mal im Ernst. Die wollen echt sogar Hausbesuche zum überprüfen machen... Na schönen Dank auch.

Renate: Aber irgendwie müssen die doch rauskriegen, wem was zusteht, sonst könnte doch jeder kommen.

Karl: Ich hab ja selbst mal in einer 2-er WG mit einer Frau zusammengewohnt. Wir hatten auch überhaupt keinen Plan, wer was wann und wieviel kauft. Und das ging ohne Probleme, ohne das ich mich dabei zwangsweise verlieben hätte müssen. Aber bei mir ist so was ähnliches mit dem Kohlengeld, das einem ja zusteht, passiert. Wir kaufen die nämlich als Hausgemeinschaft. Na und wie sich das so hinzieht mit der Sozialhilfe, und die Kohlen immer teurer werden, kaufen wir die Kohlen auch ohne Kohlengeld. Und so mach ich quasi im Haus dafür Schulden. Als ich dann aber das Geld einfordere, sagen die Typen vom Soziamt mir doch tatsächlich, ich könne das nur als Warengutschein beim Händler eintauschen. Daß das Geld für die Kohlen schon bezahlt ist, interessiert die einfach nicht. Wenn´s nach denen ginge, säße ich wahrscheinlich bis heute im Kalten.

Peter: Und was hast Du da gemacht?

Karl: Was konnte ich groß machen, ich hab den Warengutschein trotzdem gefordert, um vielleicht die Kohlen schon für's nächste Jahr zu bunkern. Aber das war dann alles sowieso egal, weil ich sowieso kein Geld zugesprochen bekam. Dann ging der Papierkrieg los...

Jaqueline: Ach bei dir auch?

Karl: Wieso?

Jaqueline: Es gleicht sich wirklich vieles. Erst die wochenlangen Gespräche, wo sie dich verarschen und versuchen abzuwimmeln. Echt, was die alles mündlich für Quatsch geredet haben: Z. B. Daß man zuerst bei der Bank um einen Kredit betteln müsse, das hat mir die Streichung meines Dispokredits seitens der Bank gebracht. Oder die Erpressung, daß sie meinen Antrag nicht bearbeiten können, solange mein Mitbewohner nicht sein Einkommen offen legt, obwohl sie dazu kein Recht hatten. Und ihr Eiertanz bei der Definition, was eine eheähnliche Gemeinschaft ist. Dabei sind sie zur sachlichen Auskunft verpflichtet. Und irgendwann hast du einfach kein Bock mehr, die überhaupt noch zu sehen, also schreibst du alles schön auf und forderst nun alles schriftlich.

Renate: Na die werden sich gefreut haben, die ertrinken doch bestimmt schon so in Formularen. Aber warum wollen die Dir eigentlich nichts zahlen?

Karl: Na bei mir dreht es sich um das frühere Vermögen. Wer nämlich mehr als 2500 DM hat muß das erst ausgeben. Und ich hatte mehr, habe das Geld aber schon ´ne Weile vorher, als ich noch dachte ich bekomme Arbeit, als zinslosen Kredit an ein Behindertenprojekt gegeben. Und das werfen die “ach so Sozialen” nun einem vor. Da half auch kein Schreiben meines potentiellen Arbeitgebers, daß ich eine Arbeitsstelle in Aussicht hatte und nicht ahnen konnte, das ich arbeitslos werde. Nein, ich müsse damit rechnen! Die werte Bearbeiterin meines Antrages würde ja auch nicht so sorglos mit ihrem Geld umgehen. Kein Wunder, daß es hier so kalt ist. Und was hast Du dann schriftlich gemacht?

Jaqueline: Na erst mal alles schriftlich verlangt. Das ist schon gar nicht so einfach, weil sie dich immer wieder ins Amt zu locken versuchen, um's dann doch mündlich zu machen. Na, und als der Ablehnungsbescheid zur Sozialhilfe kam, Widerspruch eingelegt. Und wegen der vielen Falschauskünfte noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde. Die hat dann auch gewirkt. Daraufhin haben Sie mir endlich die Paragraphen zur eheähnlichen Gemeinschaft geschickt. Es handelt sich dabei um den §122 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), der eine Bevorzugung von eheähnlichen Gemeinschaften vor Ehepaaren verhindern soll.

Peter: Wenn´s man so wäre. Benachteiligt werden solche Pärchen! Wenn ich jetzt weiter für Jaquelines Lebensunterhalt aufkommen muß, könnte ich es nicht mal von der Steuer absetzen, wie das verheiratete Paare können.

Renate: Das ist schon ganz schöner Mist. In den Ämtern sind die ja an alle Gesetze gebunden, ob sie nun wollen oder nicht. Manchmal, und das ist wahrscheinlich schon Zivilcourage, fordern die einen ja sogar zum Klagen auf.

Karl: Ich hab ja auch Widerspruch eingelegt, aber anstatt darauf zu reagieren schickten mir die Nasen gleich einen neuen Sozialhilfeantrag und im Voraus Geld. Weil ich aber keine Sozikohle bekomme, hab ich mich wieder als Student eingeschrieben, um wenigstens mit einem Dumping-Job als studentische Hilfskraft meine Brötchen zu verdienen. Damit verlier‘ ich aber automatisch den Anspruch auf Sozialhilfe. Da hab ich auch erst mal eine Dienstaufsichtsbeschwerde geschrieben. Und nun schwebt die endgültige Entscheidung bei mir noch in der Luft.

Jaqueline: Ja, und weil ich so dringend Geld brauchte, um Klaus zu entlasten, habe ich eine einstweilige Verfügung beim Verwaltungsgericht angestrebt. Die aber haben das als normale Klage behandelt und mir mangelnde Kooperationsbereitschaft vorgeworfen. Die sind wohl von vornherein von einer eheähnlichen Gemeinschaft ausgegangen und haben gleich nach dem Einkommen von Klaus gefragt. Das stand gar nicht zur Debatte! Der Paragraph ist echt aus Gummi. Aus ein paar zweifelhaften Indizien basteln die eine eheähnliche Gemeinschaft. So kam auch dieser Antrag nicht durch, und ich bekomme bis heute keine Sozialhilfe, weil sie mit dieser Entscheidung auch den Sozialhilfeantrag ablehnten. Aber nun hab ich endlich Wohngeld.

Karl: Sehr schön...ich auch.

Renate: Besonders leicht haben es die Leute mit Euch aber auch nicht. Aber trotz alledem wäre es doch gut, wenn die Leute im Sozialamt für Euch, und nicht für den Sparstrumpf des Staatssäckels arbeiteten. Wie bekommt man es nur hin, das alle am gleichen Strang ziehen?

 

Infobox: Sozialleistungen

Mehr schlecht als Recht

In der Regel gilt der Tag der Antragstellung als erster Tag der Leistungsgewährung. Rückwirkend können selten Ansprüche gestellt werden. Deshalb möglichst früh die Ämter nerven, auch wenn noch nicht alle Zettel vollständig sind. Wer Sozialhilfe will, muß nachweisen, daß er nichts anderes kriegt und nichts hat. Wenn man weiß, daß man vom Arbeitsamt nichts kriegt, dort sofort Anlage 1 fürs Sozialamt verlangen, von alleine kommen die einfach nicht drauf. Was den meisten von uns zusteht und von vielen nicht in Anspruch genommen wird: BaFöG, Lohn (aussterbende Form des Broterwerbs), Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe (522DM/Monat). Darüber hinaus Wohngeld (bei SozialhilfeempfängerInnen die gesamte Miete), bei Sozialhilfe des weiteren („einmalige“) Leistungen für kaputte Elektrogeräte, Weihnachtsgeld, Kleidergeld, Medikamentenbefreiung bei der Krankenkasse, Kohlengeld, Telefon- und Rundfunk-gebührenbefreiungen sowie den Kultur- und Sozialpaß (KUS), mit dem zahlreiche Einrichtungen und Kulturveranstaltungen ermäßigt besucht werden können. Dies müßt ihr alles ausdrücklich verlangen, irgendwie fehlt den Behörden da irgendwas. Und es ist Euer gutes Recht, das alles zu verlangen in einem System, daß nicht fähig ist, Euch an Arbeit und Wohlstand gleichberechtigt teilhaben zu lassen. Keine falsche Scham bei den Anträgen, eigentlich steht Euch viel mehr zu!

e


  zurück zur Ausgabe 4 zurück zur Hauptseite