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Frauenbilder - gestern & heute

Eine Betrachtung von Sonja Ryll in zwei Teilen

Unsere Geschichte hat uns Bilder überliefert, auf denen die Frauen als Freiheitssymbol wie auch als Symbol schärfster Ausbeutung und Unterdrückung dargestellt werden. Da sind Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orleans, die schöne Frau mit entblößtem kräftigem Busen und wehendem Haar als Symbol der Freiheit, die das Volk in seinem Kampf anführt. Was für Leidenschaft, Lebenslust, Kampfbereitschaft strahlen sie aus! Und da sind Bilder von abgezehrten Müttern am Waschtrog, von Frauen mit Wahnsinn in den Augen neben Bombentrichtern, von kleinen, grindigen, mißbrauchten Mädchenkörpern.

Die imperialistische Gesellschaft, in der wir leben, hält immer noch das Vielfache an Unterdrückung für die Frau gegenüber der Unterdrückung des nicht an den Produktionsmitteln teilhabenden Mannes bereit. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn sich ihr Aufbegehren zuerst gegen den Mann richtet, sie zuerst von ihm akzeptiert werden will. Eine der Strömungen in der Frauenbewegung richtete sich aus diesem Grunde auch gegen die „männliche“ Sprache, wendete viel Kraft auf für das große "I". Und mit einigem Erfolg. Da den Schreiberlingen jedoch das reaktionäre Rechtschreibreförmchen zum Fraß vorgeworfen wurde, haben sie dankenswerterweise ganz schnell das umständliche Denken in männer- und frauenspe-zifischen Kategorien abgestreift. Wahrscheinlich liegt es auch daran, daß das große "I" nicht mehr Frauen in die Redaktionsstuben, auf die Ministersessel, in die Gewerkschaftsführungen, von ihren Kochtöpfen in den Arbeitsprozeß gebracht hat. Es konnte auch nicht verhin-dern, daß beim großen Raus-schmiß der letzten Jahre pro-zentual mehr weibliche Arbeits-lose als männliche auf der Straße landeten. Da steckt doch in den streikenden HBV-Frauen mehr Kraft. Hier ist die Chance, daß sie etwas wirklich erkämpfen, auch wenn es „bloß“ um Tariflohn, das Ladenschluß-gesetz, den Erhalt der Arbeitsplätze geht. Sie stehen stunden-, tagelang, gemeinsam, einmütig. Wie haben sie es organisiert, daß die Kinder versorgt, der Haushalt erledigt wurde? Ein siegreicher oder ein verlorener Kampf - immer bleibt die Erfahrung des gemeinsamen Kämpfens, das Gefühl der vereinten Stärke, der Solidarität. Diese Frauen werden auch ihre Männer im Streik nicht allein lassen, ihnen höchstens noch die wackligen Hammelbeine langziehen. Die Masse der Frauen jedoch ist gezwungen, unbezahlte, stupide Hausarbeit zu leisten. Für viele ist es zu ihrem Lebensinhalt geworden, besondere Reinlichkeit walten zu lassen, die Kochkunst immer weiter zu entwickeln, künstlerische Hochleistungen im Nähen, Sticken und Häkeln zu vollbringen. Ein Herr Eichel, seines Zeichens Bundesfinanzminister, könnte bei ihnen in die Lehre gehen, wenn er tatsächlich haushalten wollte. Auch wenn sie sich teilweise, um die Haushaltskasse aufzubessern oder sich selbst etwas zu gönnen, als Putzfrauen oder für andere Gelegenheitsarbeiten verdingen, so bleiben sie vom gesellschaftlichen Leben doch weitestgehend ausgeschlossen. Ihre Bildung ist mit der Eheschließung abgeschlossen. Wachsen die Kinder heran, so haben sie Probleme, ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen. Abends sind sie zu müde, um noch ein Buch in die Hand zu nehmen. Politik ist zu anstrengend; damit wollen sie auch nichts zu tun haben. Die bunten Medien sind wie für sie geschaffen. Sie lenken ab und lullen ein. Der Traum von den Schönen und Reichen, den Schlanken und den Genießenden tötet das letzte bißchen Aufbegehren und Nachdenken. Unter sich ziehen sie über die Männer her, loben ihre Kinder über den grünen Klee, hecheln die neuesten Skandale in Hollywood durch, analysieren die Krankheiten, Unfälle, Verbrechen in der Verwandtschaft und Bekanntschaft. Sie sind unzufrieden mit ihren Männern, vor allem aber mit sich. Sie verändern höchstens von Zeit zu Zeit die Wohnungseinrichtung und die Frisur. Sie sind die Frauen, die dieser Gesellschaft am meisten dienlich sind, weil nicht bezahlt, die aber im Rentenalter in bitterste Armut gestürzt werden, wenn nicht ihr Mann auch für diesen Abschnitt ihres Lebens Vorsorge getragen hat. Es gab einmal Mütter, die "ihrem Führer Söhne für den Krieg schenkten", voller Stolz, auserwählt zu sein, die deutsche Rasse zu vermehren, damit sie die Welt beherrsche. Frauen jubelten ihm fanatisch zu, steinigten Juden, denunzierten Nachbarn oder Verwandte bei der Gestapo, wiesen Hilfesuchende von der Tür, schafften ihren Mördermännern nach der schweren Arbeit der Vergasung von Menschen in KZ’s ein gemütliches deutsches Heim. Generationen danach haben sie würdige Nachfolgerinnen. In NPD und JN gibt es nicht wenige junge Frauen, die faschistischem Gedankengut anhängen, in ihrem Glauben an das Einmalige des Deutschtums den Herrenrassenwahn weitertragen. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg trat seitens der DVU eine wohlpräparierte Frau am Wahlabend auf, um immer wieder ihr Sprüchlein aufzusagen. Wieviele Frauen sind unter denen, die hysterisch Front gegen Asylbewerberheime machen, die sich an der Kasse im Supermarkt aufregen wegen der Verzögerung durch das Einlösen von Gutscheinen, die im Herumstreunen zahlreicher Asylbewerberkinder, die in keine Schule gehen dürfen, eine Gefahr für ihre eigenen Kinder sehen? Ihr Zorn richtet sich immer gegen die Asylbewerber, nicht gegen die Verursacher dieses Dilemmas. Es gibt sehr viel weniger Frauen, die normalen menschlichen Kontakt zu Bürgern anderer Kulturen suchen und pflegen als Frauen, die schon beim Ansprechen durch einen dunkelhäutigen Mann aus Angst vor Vergewaltigung das Weite suchen, die flüchten, wenn einer zusammengeschlagen wird. Nationalismus und Chauvinismus finden auch unter Frauen einen guten Nährboden. Auf der anderen Seite die hervorragenden Frauen der Arbeiterbewegung wie Clara Zetkin und Rosa Luxemburg, Lilo Herrmann, Olga Benario und die zahllosen von den Faschisten ermordeten Antifaschistinnen, die einfachen Frauen, die Flüchtlinge versteckten, ihr weniges Brot mit Zwangsarbeitern teilten, die in einer unmenschlichen Zeit ihre Menschlichkeit bewahrten. Kundschafterinnen wie Ruth Werner und Gabriele Gast gehören dazu; Frauen, die sich mutig gegen Abschiebungen und Diskriminierungen einsetzen, die bei Sitzblockaden nur mit Gewalt wegzuschleppen sind... Es ist unbestreitbar, daß Gewalt gegen Frauen und Kinder zunimmt, sind sie doch die schwächsten Glieder dieser Gesellschaft. Kein Tag vergeht, an dem nicht genüßlich über Mädchenmorde, Vergewaltigungen, Überfälle berichtet wird. Gewalt ist dieser Gesellschaft systemimmanent. Das Profitinteresse steht über aller menschlicher Moral, diktiert die Verhältnisse zwischen Mann und Frau und in der Familie, setzt die Maßstäbe für Arbeit, Bildung, Erziehung, Kultur. Gesetze gegen Gewalt in der Ehe, die Abschaffung des § 218, die Selbstbestimmung der Frauen über ihr Leben, über ihren Körper - jahrzehntelang dauert der Kampf um diese simplen Rechte. Die diesbezüglich erkämpften Teilzugeständnisse werden schrittweise wieder zurückgenommen. Die katholische Kirche mit ihrer unsäglichen Predigt vom „seelenvollen“ Embryo und den „Mörderinnen“, die ein Kind nicht austragen wollen, ist auf dem Vormarsch. Eine SPD-Frau setzt sich dafür ein, daß die Ausbeutung der Prostituierten eine gesetzliche Grundlage erhält, der Zuhälter künftig nicht mehr unter Strafe gestellt wird, sondern legal als Unternehmer sein schmutziges Geschäft führen kann. Wollte man alle Formen der Frauenunterdrückung aufzählen, würde es Bände füllen. Trotzdem sei angemerkt, daß in den hochindustrialisierten Staaten in diesem Jahrhundert entscheidende Rechte der Frauen erkämpft wurden. Sie haben das Wahlrecht, ihre Gleichstellung ist in Verfassungen schriftlich verankert; sie haben freien Zugang zu den Bildungseinrichtungen, dürfen sich scheiden lassen. Es ist ihnen möglich, ein eigenständiges Leben zu führen, sich politisch zu engagieren. Wie sie diese bürgerlichen Rechte wahrnehmen und in wessen Interesse sie sie ausüben, ist wiederum abhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit in dieser Gesellschaft. Madeleine Albright wird von Joseph Fischer nicht wegen ihres weltumspannenden Charmes geküßt; er muß sie sich gewogen halten, weil sie gegenwärtig bestimmt, welche Völker mit Krieg überzogen werden. Gegen sie allerdings stehen hunderte „Mütter gegen den Krieg“. Angela Merkel diente als Umweltministerin der Atomindustrie. Die Frauen im Wendland, die Mütter mit verkrüppelten Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken geboren werden, sie kämpfen für eine Zukunft ohne atomare Gefahr. Schwer bewaffnete Polizistinnen schlagen brutal auf Antifaschistinnen ein. Manche Frauen verstehen sich erst gleichberechtigt, wenn sie in der Bundeswehr gleich den Männern im Schießen und somit Töten ausgebildet werden. Junge Mädchen, Ehefrauen und Mütter halten Freunde, Männer und Söhne von ihrem Dienst in derselben ab. Es ist gut, daß immer mehr Frauen für ein friedliches Leben und eine sinnvolle Zukunft, gegen Gewalt, zerstörerische Macht und Unterdrückung anderer Völker kämpfen, an der Seite gleichgesinnter Männer.

(Teil zwei folgt in der nächsten Ausgabe oder hier)


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