fremde heimat

2.7.2007


Pressemitteilung des Friedensbündnisses

Am gestrigen Samstag, dem 30. Juni 2007, konnten zwischen 190 und 200 Neonazis der NPD und der so genannten "freien Kameradschaftsszene" von 2.000 Polizist/innen aus 7 Bundesländern gegen den Protest von 600-800 Antifaschist/innen abgeschirmt durch Rostock marschieren.

Dabei kam es immer wieder zu Schikanen der Polizei gegenüber Antifaschist/innen. Jeglicher Protest direkt an der Route der Neonazis wurde von der Polizei unterbunden, der Versuch der Formierung einer Sitzblockade unter Androhung von Gewalt vereitelt. Auch Mitglieder des Rostocker Friedensbündnisses wurden willkürlich ihrer Bewegungsfreiheit beraubt und erhielten Platzverweise. Polizei und vorgesetzte Behörden scheinen weiterhin davon auszugehen, dass die Neonazis nicht nur das formale Recht hätten, ihren Aufmarsch durchzuführen, sondern dass dieses auch noch frei von für die Neonazis vernehmbaren Unmutsbekundungen und Protest von antifaschistischer Seite zu geschehen hätte.

Bereits im Vorfeld des Aufmarsches kam es zu einem folgenschweren Übergriff von Neonazis auf Antifaschist/innen, der in den Medien bisher überhaupt nicht oder aber stark verzerrt wiedergegeben wird. Wir dokumentieren deshalb im Folgenden eine Pressemitteilung der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt LOBBI mit dem Titel "Rechter Gewaltexzess vor NPD-Demo in Rostock" vom 30. Juni 2007:

*** Beginn Pressemitteilung LOBBI ***

Neonazis griffen in Zug nach Rostock mit äußerster Brutalität anreisende Gegendemonstranten an und nahmen später unbehelligt an rechter Demo teil

Mehrere Schwerverletzte und Dutzende Verletzte sind die Folge eines Überfalls von Neonazis am heutigen Sonnabend vor einer NPD-Demonstration in Rostock. Mit äußerster Brutalität gingen die Rechten gegen ihre Opfer vor und prügelten auf Erwachsene wie Kinder ein.

Der Angriff ereignete sich in dem Dorf Pölchow, wenige Kilometer vor Rostock. Etwa 70 Menschen wollten an den Gegenveranstaltungen zu einem NPD-Aufmarsch teilnehmen und stiegen in Schwaan in den Zug in die Hansestadt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 100 Neonazis in der Bahn. Zeugen machten unter ihnen auch die NPD-Landtagsabgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster und Tino Müller aus.

Am Haltepunkt Pölchow starteten die Neonazis ihren offensichtlich gut vorbereiteten Angriff. Sie sperrten Fluchtwege ab und drangen von mehreren Seiten in den Zug ein. Ein Rechter mit Militärmütze und Lederhandschuhen, der bereits mehrmals vor dem Neonazi-Laden in Rostock gesehen wurde, brüllte: "Jetzt seid ihr dran."

Daraufhin zerschlugen die Neonazis mehrere Scheiben, zogen mit äußerster Brutalität ihre Opfer einzeln aus dem Zug, traten und prügelten mit Zaunlatten auf sie ein. Ein Opfer wurde über einen Zaun eine mehrere Meter tiefe Böschung hinuntergeworfen. Mehrere Personen wurden bewusstlos geschlagen und hatten nach dem Angriff Gedächtnislücken. Ein Kleinkind erlitt Schnittwunden durch die eingeschlagenen Scheiben. Auf dem Bahnsteig lagen ganze Büschel ausgerissener Haare der Opfer. Zeugen berichten, dass die Neonazis ihren Angriff mit Digitalkameras und Handys fotografierten und filmten.

"Wir konnten über einen Zaun springen, vor den Nazis weglaufen und bei einer Anwohnerin die Polizei alarmieren", erzählt einer der Anwesenden. "Ich trug nur leichte Verletzungen von Schlägen davon. Jene, die nicht fliehen konnten, waren der hemmungslosen Brutalität der Nazis jedoch schutzlos ausgeliefert. Ich hatte Angst, dass jemand den Angriff nicht überleben könnte."

Augenscheinlich befanden sich keine Polizeibeamten in dem Zug, die die Anreise der Neonazis zu überwachten oder gegen den Angriff einschritten. Erst nach 30 Minuten trafen Polizeieinheiten in Pölchow ein. Statt gegen die rechten Angreifer aktiv zu werden, nahmen sie die Personalien einiger Betroffenen auf und begannen damit, sie zu filmen. Festnahmen der Neonazis erfolgten nach Zeugenaussagen nicht. Anschließend wurden die Betroffenen zurück in den Zug gebracht und mussten mit den Tätern in einem Zug nach Rostock fahren. Dort wurden die Personalien der restlichen Angegriffenen aufgenommen. Zeugen beklagen, dass einige der traumatisierten, zitternden und weinenden Betroffenen von den anwesenden Polizeibeamten verhöhnt worden sind.

Die Angreifer, unter anderem aus Berlin, Güstrow, Wismar, den Landkreisen Ostvorpommern und Bad Doberan, konnten in Rostock unbehelligt an der Demonstration der NPD teilnehmen. Obwohl sie auf ihren Handys und Digitalkameras Beweismaterial mit sich trugen, griff die Polizei nicht ein.

Quelle: http://www.lobbi-mv.de/presse/pm070630.php Kontakt LOBBI: nord@lobbi-mv.de

*** Ende Pressemitteilung LOBBI ***

Für kommenden Samstag, den 7. Juli 2007, hat die NPD einen weiteren Aufmarsch in Rostock angekündigt. Sollte der Aufmarsch durch die Stadt bestätigt werden, werden wir erneut zu seiner Verhinderung aufrufen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle - nicht zuletzt - auch ganz herzlich bei den vielen Menschen, die an unserem Stand am Margaretenplatz den Aufruf "NPD-Verbot jetzt!" und den Offenen Brief an den Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock mit der Forderung nach dem Erhalt des Namens der Ilja-Ehrenburg-Straße unterschrieben haben.