geld oder leben

22.1.07

 

   
Am 18.Januar fand eine Veranstaltung des lokalen G8-Plenums zum Thema "Gentechnik in Mecklenburg-Vorpommern" statt. Was hat nun die G8 mit Gentechnik zu tun, mag man sich fragen. Der Zusammenhang liegt nicht gleich auf der Hand, ist aber durchaus nachvollziehbar:  
   

Bei der G8 treffen sich acht einflussreiche Staaten zu informellen Gesprächen zur Gestaltung der Welt und behaupten in den letzten Jahren immer unverfrorener, dass es ihnen auch um die Lösung sozialer Fragen ginge. Bei der Gentechnik, genauer der Gentechnik in der Landwirtschaft, um die es sich an diesem Abend drehte, handelt es sich um eine sehr teure Technologie, deren Besitzer ebenfalls behaupten, Probleme der Menschheit zu lösen - genauer gesagt behaupten sie oft, die Technologie zur Beseitigung von Nahrungsmittelknappheit einsetzen zu wollen.

Weder die Regierungen noch die Konzerne können indes Belege für ihr angeblich soziales Engagement vorlegen. Vielmehr ist die soziale Spaltung zwischen Arm und Reich stetig gestiegen, wie unlängst die WIDER-Studie belegte. Nicht zuletzt durch Forderungen der G8-Staaten z.B. nach "Investitionsfreiheit in Industrie- und Schwellenländern" oder wie "afrikanischen Staaten sollen Strukturen entwickeln, die private Investitionen erleichtern" wird der Zugriff von Konzernen zum Beispiel auf diesen Kontinent gefördert. Im Falle des Einsatzes von Gentechnik in der Landwirtschaft wird damit die Ernährungssouveränität der lokalen Bevölkerung zerstört, da sie mit der teuren Technologie nicht konkurrieren kann.

 

 

Dieser Prozess ist nicht erst mit der Gentechnik im Gange. In den frühen 1980iger Jahren wurden durch IWF-Strukturanpassungsprogramme Exportprodukte zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion in den verschuldeten Ländern gefördert. Mit der Senkung der Zölle z.B. im Rahmen der WTO-Agrarabkommen von 1995 wurde der Import von subventionierten Nahrungsmitteln aus den USA und Europa in den Süden weiter verstärkt. Mit dem Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft haben wenige transnationale Konzerne ein Mittel in der Hand, dass ihnen die weitere Enteignung und Ausbeutung der lokalen Bevölkerung ermöglicht. Patente auf Saatgut und die Abstimmung genmanipulierter Pflanzen auf das eigene Pflanzenschutzmittelangebot sind hierfür die Schlüssel.

Auf der Veranstaltung wurden die Hauptakteure der Gentechnik in der Landwirtschaft klar benannt. Unter den Konzernriesen spielen auch deutsche Firmen eine größere Rolle: Bayer Cropscience und BASF. Erstere war erst letztes Jahr in die Schlagzeilen geraten, als die unerprobte Gen-Reissorte LLRice 601 gemeinsam mit konventionell angebautem Langkornreis in den Handel gelangt ist. In Mecklenburg-Vorpommern wurden laut Standortregister bis zum 22.1.07 insgesamt 14 Anbauflächen mit genmanipuliertem Mais auf etwa 359 ha angemeldet. Diese befinden sich bei 17094 Cammin, 17321 Löcknitz, 17321 Ramin, 17322 Glasow, 17335 Strasburg, 17337 Klein Luckow und 17337 Uckerland. Angebaut wird Mais mit Schädlingsresistenz. Daneben gibt es verschiedene Forschungseinrichtungen, die sich mit der Gentechnik beschäftigen, wie z.B. das AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz bei Rostock. Hier werden gentechnisch veränderte Kartoffeln getestet und Versuche durchgeführt, die nachgewiesenen Auskreuzungsraten bei Gen-Raps zu verringern. Die NPZ Saatzucht Lembke KG, Malchow/Poel, ist ebenfalls in der Forschung mit gentechnischen Verfahren in Mecklenburg-Vorpommern aktiv .

Die Diskussion verlief ausgesprochen kontrovers. Besucher, die selbst im Bereich der Gentechnik arbeiten und studieren, betonten die Chancen der Gentechnik, während die Gegner der Gentechnik in der Landwirtschaft auf die Risiken und Schäden durch die Gentechnik hinwiesen. Andere betonten den oben beschriebenen Zusammenhang zwischen der Technologie und dem derzeitigen Wirtschaftssystem. Es gab immer ein Aber im Kreis der Argumente. Obgleich von den Befürwortern nur den Gegnern untergeschoben: moralisiert wurde auf allen Seiten - denn schließlich wollten beide Fronten ja nur das Gute. Um aber nun einen objektiveren Blick zu bekommen, was denn Gutes in den vergangenen Jahrzehnten für die Menschheit herausgekommen ist, lohnt sich vielleicht doch ein Blick in Statistiken über die konkrete Lebens- und Versorgungssituation: Die Anzahl der Hungernden ist nicht gesunken, sondern von 840 (1996) auf heute 854 Millionen Menschen (2006) angestiegen. Die Erfahrungen mit der Gentechnik machen deutlich: Den Hungernden auf dem Land, und das sind etwa 80 % der Hungernden, fehlt es an Zugang zu Ressourcen wie Land und Wasser und an Kaufkraft, nicht an gentechnisch verändertem Saatgut. NGOs wie FIAN resümieren daher: "In einer Welt, die schon heute über zehn Millionen Menschen ernähren könnte, ist dies ein beispielloser Skandal und ein Armutszeugnis für die Politik."