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Likedeeler 18, Herbst 2006

ZEITSTREITSCHRIFT LIKEDEELER Likedeeler Nr. 1
Es ist das politische Statement, das bei uns rüberkommt...  
Gegründet um politisch und kulturell zu intervenieren, hat sich der Likedeeler seinen Platz im regionalen Blätterwald erschrieben. Mit wechselnden Besatzungen, unterschiedlichen
Formaten und schwankender Erscheinungshäufigkeit sendet er jetzt schon seit 8 Jahren politische und kulturelle Impulse aus Greifswald in die Welt.
Um die tieferen Gründe der Geschichte des Blattes zu erforschen interviewten wir einen langjährigen Aktivisten der spitzen Feder.
 
 

Wie ist der Likedeeler entstanden und woraus ist er entstanden?

 
Am Anfang haben sich ein paar Leutchen im Infoladen getroffen. Ich schätz mal 5-6. Die haben sich überlegt, was man so machen kann. Sie haben bei der Gründung des Bündnisses gegen Rechts mitgewirkt und damals als das Bündnis gegen Rechts schon lief, gab es Interesse, eine Zeitschrift raus zugeben. Das war 1998 und es war unter dem Eindruck der relativ hohen Wahlerfolge der DVU in Brandenburg. Und von der Zusammensetzung her, na ja klar, irgendwie hat man sich links verortet - so ein stückweit. Das war eine Mischung zwischen Kommunisten, Anarchisten, Autonomen - sag ich jetzt mal.
   
Hat eine gemeinsame Antifa-Herkunft eine Rolle gespielt?  
   
Das war mit drinne, aber die Gruppe, die sich da im Infoladen getroffen hat, war jetzt keine Antifa-Gruppe. Definitiv nicht, es gab unterschiedliche Themen, auch soziale Themen zum Beispiel.  
   
Wenn man die alten Likedeeler anschaut, dann war Antifa ein wichtiges Thema, aber auch Kultur...
 
...das war eine wichtige Sache, dass man jetzt keine reine Polit-Zeitung macht. Dass man eine Mischung hinbekommt, wo Kulturelles eine Rolle spielt, aber auf der anderen Seite auch - klar - politische Artikel eine Rolle spielen. Die Leute, die mitgeschrieben haben, waren nicht nur politisch aktiv, sondern auch kulturell. Insofern war es Programm, dass man Rezensionen, Musik und Politik miteinander verknüpft.
 
Hast du das Gefühl, dass ihr politisch und kulturell etwas bewegt habt in Greifswald?
 
Kulturell war das der Fall, als KLK dazu gestoßen ist, da hat es Anstöße gegeben. Sonst denke ich, ist unser Kulturanteil nicht wegweisend. Politisch gab es aber eine ganze Reihe Auseinandersetzungen, die wir angestoßen haben. Es gab unter anderem die Auseinandersetzungen mit Pechmann, der als Pressesprecher der Uni einen Vergleich von Duschen in Studentenwohnheimen mit Gaskammern gebracht hat. Das haben wir thematisiert und es war bundesweit Thema. Damals ist er noch nicht entlassen worden, aber sein Stuhl wackelte.
Dann gab es viele Auseinandersetzungen mit rechten und rassistischen Themen, da war es durchaus der Fall, dass wir eine exponierte Stellung eingenommen haben, die auch eine gewisse Wirkung hatte, z.B. bei der Mobilisierung zu Demos. Dazu wurden Sonderausgaben herausgegeben. Das war zu Antifa-Demos oder auch zu den Kriegsausbrüchen, an denen Deutschland mitwirkte. Dies war nicht nur im Sinne von intervenieren gemeint, es war viel mehr ein Versuch, Öffentlichkeit herzustellen. Gedruckt wurden die Aufrufe von Leuten, die das organisiert haben und, klar, es wurde dazu aufgerufen, an den Demonstrationen teilzunehmen. Und wenn wir Zeit hatten, haben wir in den Sonderausgaben versucht, ein bisschen eigenständige Recherchearbeit einzustreuen.
   
Und von den Rückmeldungen hier aus Greifswald, hast du das Gefühl, dass der Likedeeler sehr positiv angenommen wird?  
   
Das ist schwer zu sagen. Die Zeitschrift ist ja umsonst. Und so hat man nicht ein Feed-back im Sinne von Verkaufszahlen. Am Anfang, das fand ich interessant, haben wir versucht im Vorwort mal so ein bisschen das Feed-back zu verarbeiten. Das ist in den letzten Ausgaben etwas verloren gegangen. Dass man auch kritisch reflektiert, was die Leute gut fanden und was sie nicht so gut fanden und dass man auch nach außen trägt, dass man darüber reflektiert, dies war für uns ein Thema. Es wurde gefragt, wie ist die Zeitung im Freundeskreis oder unter Bekannten angekommen, was habt ihr gehört. Und das war mal so mal so. Da gab's zum Teil sehr ablehnende Statements, z.T. gab es aber auch Leute, die das sehr sympathisierend aufgenommen haben.
 
Vor kurzem, so habe ich gehört, gab es Stimmen, die meinten der Likedeeler sei in den letzten Ausgaben militant geworden - kannst du das historisch einordnen?
 
Ich denke er hat sich in den letzten Ausgaben ein stückweit wieder radikalisiert. Aber das ist eine Sache der Beiträge, die wir bekommen. Wenn es viele Kulturbeiträge sind, dann würden die das dominieren und wenn wir eher radikalere Beiträge bekommen würden, dann veröffentlichen wir das auch. Es ist mir persönlich wichtig, dass auch radikalere Beiträge veröffentlicht werden, aber das ist kein Dogma.
 
Hat man beim Likedeeler eine gemeinsame Position, dass man gemeinsam ein Ziel erreichen will?  
   
Da frag ich zurück, was denkst du, wie das derzeit ist?
 
Na, ich habe das Gefühl - nein. Aber wie war's am Anfang?
 
Ich denke, das gab es auch am Anfang nicht. Jeder hat ein Grundgefühl rein gebracht, was das sein sollte, aber jetzt eine erklärte Ausrichtung hat es nicht gegeben. Und das ist sogar explizit formuliert worden. Es ging darum, die Buntheit der politischen Meinungen darzulegen, also nicht nur eine Linie zu vertreten. Das würde ich immer wieder versuchen, auch wenn ich persönlich meine eigene Meinung habe, würde ich immer wieder versuchen, auch Leute, die eine andere politische Auffassung haben, da mit rein zubringen. Ein Stückweit eine Diskussion mit anzustoßen.
 
Vorhin hast du angesprochen, dass der Likedeeler kostenlos verteilt wird - was ist der Grund dafür?
 
Das sind unterschiedliche Sachen. Ich finde, es ist immer auch ein soziales Problem ob man sich eine Zeitschrift leisten kann, und auch altersmäßig, wer schon das Geld dafür hat. Und die andere Seite ist, dass ein Verkauf sehr viel Zeit in Anspruch nimmt: eine Verteilerstruktur, die Abrechnung... das ist ein hoher Arbeitsaufwand, den man leisten muss.
   
Es gibt, wenn man sich die alten Likedeeler anschaut, eine extrem hohe Fluktuation von Leuten - gibt es so etwas wie eine Stammbelegschaft, die die ganze Zeit durchgehalten hat?  
   
Ich denke dadurch, dass ein Großteil Studenten waren, ist eine gewisse Fluktuation drinne. Zum Teil ist es aber auch so, dass Leute zwar schreiben und noch in Greifswald sind, sich aber in anderen Projekten heimischer fühlen.
 
Wie würdest du gerade den Personalstand beschreiben?
 
Schrecklich (lacht). In dieser Ausgabe, denke ich, ist die Dynamik recht gut. Es kommt viel Material zusammen. Aber als Redaktion würde ich mir eine Redaktion von zehn bis zwanzig Leuten wünschen, die fest dabei sind und du weißt selber, wir sind zur Zeit drei feste Leute.
Und das ist absolut zu wenig für so eine Zeitung. Wir schaffen es natürlich immer mal im Jahr eine Ausgabe raus zubringen. Aber wenn man so viermal im Jahr rauskommen möchte, dann müssen einfach viel mehr Beiträge von außen kommen. Dann müsste es einfach eine feste Redaktion geben, um Anzeigen, Verteilung und Beiträge zu organisieren.
   
Gab es eine zentrale Person beim Likedeeler?
 
Ganz am Anfang gab es die zentrale Person nicht. Am Anfang haben das mehrere Leute zusammen layoutet, da war das relativ gut verteilt. Da kam der Likedeeler im DinA5- Format raus und wurde kopiert. Kopierkosten wurden damals, da waren wir noch nicht so eng an dem Jugendmedien Verein dran, z.T. von den Grünen getragen, z.T. von der PDS, die haben uns da kopieren lassen.
Es haben ganz unterschiedliche Leute mit viel Zeitaufwand gemeinsam in der Gruppe zusammen layoutet. Es gab irgendwann einen Hänger, der sich auf den Sitzungen aber nicht richtig gut artikuliert hat. Einige Leute wollten ein größeres Ding haben, mehrfarbig und gedruckt und nicht in der 200er Auflage kopiert. Ich habe nicht diese Auffassung vertreten, ich war da eher der Meinung, dass das langsam wachsen sollte. Ich habe mich dummerweise durchgesetzt. Was dann zur Folge hatte, dass einige Leute abgesprungen sind und kein Bock mehr auf die Zeitschrift hatten. Das habe ich dann irgendwann gemerkt und habe dann eine Ausgabe ziemlich alleine gemacht und in den Druck gegeben (Ausgabe 5). Na ja, ich habe das nicht ganz alleine gemacht, ich habe die Initiative übernommen und einer hat mitgezogen und dieser eine hat sich im Folgenden total reingekniet. Hat sich Bücher über Journalismus rein gezogen und hat ein richtiges Layout für den Likedeeler entworfen. Er hat über fünf Ausgaben das Likedeeler-Projekt wesentlich getragen und war dann auch taktgebend. Da war ich dann ein bisschen außen vor und habe meine Artikel geschrieben. Der ist dann aber weggegangen, weil das Studium zu Ende war. Dann habe ich das ein stückweit übernommen und habe erst mal nach Leuten gesucht, die Lust haben wieder mitzumachen. Und in der Zeit sind dann auch fünf Ausgaben wieder raus gekommen. Und jetzt verabschiede ich mich ja so halb (lacht).
   
Was waren so aus deiner Sicht die großen Augenblicke des Likedeeler-Projekts, die hervorgestochen haben?
 
Eine sehr schöne Ausgabe ist die zur Leipziger Buchmesse, die auch einen schönen Rundumblick zu Greifswald liefert (Ausgabe 8). Die find ich sehr gut gelungen. Auch als Rundschau der Greifswalder Projekte. Dann der Pechmann-Artikel ist natürlich herausragend, einfach von der Wirkung her, die er gehabt hatte. Die Kant-Ausgabe fand ich auch ganz fetzig, weil das die erste Ausgabe war, wo wir als Redaktion einen Themenschwerpunkt richtig gemeinsam bearbeitet haben und dann auch sehr konstruktiv darüber diskutiert haben. Ein Höhepunkt sind dann sicherlich auch die Sonderausgaben zu den Demos, auch die Auseinandersetzungen mit den Burschenschaften, die nicht immer erfolgreich waren, aber sicherlich auch ein stückweit zur Meinungsbildung beigetragen haben.
Oder der Artikel 'NPD will am Weltfriedenstag marschieren', wo vorab ein stückweit mobilisiert und der Aufmarsch zugleich in Frage gestellt wurde und es dann zumindest gelungen ist, den Aufmarsch umzuleiten. Herausragend auch der Maquilas-Artikel, der in der Schulbildung zitiert wird und als Unterrichtsmaterial benutzt wird. Oder die Ausgabe zur Bildungspolitik, die dann zwar wegen des Layouts kritisiert wurde, aber der Artikel zur sozialen Herkunft und den Bildungschancen wurde von Attac (Wismar) weiterverwendet. Der Likedeeler hat also durchaus auch Wirkung nach außen gezeigt.
   
Wo würdest du den Likedeeler in der Landschaft der Greifswalder Printmedien verorten?
 
Also ich glaube, der politische Schwerpunkt vom Likedeeler ist, dass er einen sozialen, ökologischen und emanzipatorischen Charakter hat. Der Vorbote könnte sich jetzt auch zu dem entwickeln, aber bisher ist der Likedeeler die einzige Zeitschrift mit einem solchen Standpunkt in Greifswald. Es ist das politische Statement, das bei uns rüberkommt, das wird uns immer unterscheiden.
 
Der Untertitel vom Likedeeler lautet: Zeitstreitschrift - wie kam es zu dem Namen?
 
Zum Anfang hieß der Untertitel 'Zur Befreiung der Gedanken', da kam dann ein Streit auf, der dann auch im Vorwort öffentlich gemacht wurde. Dass einige das überhaupt albern fanden, dass wir uns anmaßen ihre Gedanken zu befreien. Daraufhin haben wir uns Gedanken gemacht, wie könnte es denn sonst heißen. Und so kamen wir halt auf den Namen 'Zeitstreitschrift'. Und das sollte dann genauso wie der Name Likedeeler [der zurückgehend auf Störtebecker, den Robin Hood der Ostsee, 'Gleich Teiler' heißt], Konzept bildend sein. Nämlich zum Streit anzuregen. Nicht nur mit der Gesellschaft, in die Gesellschaft rein - also zur Diskussion aufzurufen und zu intervenieren und soziale Sachen in die Gesellschaft reinzutragen - sondern auch intern an Diskussionen zu wachsen - nicht, um sich zu zerstreiten, sondern um die Unterschiede zu wissen (ps).
   
Und es hieß ja eine zeitlang, Zeitstreitschrift für Greifswald - so viel wird ja Greifswald, zumindest in den letzten Ausgaben, nicht thematisiert.
 
Jetzt heißt der Likedeeler mittlerweile Zeitstreitschrift aus Greifswald. Der Titel 'für Greifswald' wurde abgelehnt, weil die Streitschrift eben auch überregional verteilt wird. Aber auch das ist innerhalb der Redaktion ein Streitpunkt gewesen. Auch jetzt mit der neuen Ausgabe, bei der sich viele Leute gemeldet haben, weil es um Greifswald geht, bin ich mit dem lokalen Bezug skeptisch. Greifswald ist mir oft viel zu eng. Es ist nun einmal Provinz, und wir sind nicht die Avant-Garde. Ich guck dann auch gerne einmal über den Tellerrand, was woanders passiert, um das nach Greifswald rein zutragen. Wenn in Greifswald etwas passiert, dass auch für außerhalb interessant ist, dann kommt das natürlich rein. Aber mir wäre eine Festlegung auf Greifswalder Themen einfach zu eng. Auch wenn der Identifikationswert für Greifswalder dann steigen würde.
 
Wenn ich das richtig verstanden habe, gab es mal den Versuch den Likedeeler zu einer Zeitschrift für ganz Mecklenburg-Vorpommern auszubauen?
 
Die Idee gab es, aber es hat nie wirklich geklappt.
 
Am Anfang scheint es den Anspruch gegeben zu haben eine Zeitung zu machen, die auch 'Oma Meier' lesen könnte, aber in Ausgabe 3 hat man sich dann von diesem Anspruch verabschiedet.
 
Ich hoffe mal, dass ich mich davon noch nicht verabschiedet habe. Ich versuche schon möglichst wenig Fremdwörter zu benutzen, und das allgemeinverständlich zu halten. Aber es ist dann nicht so, dass in der Redaktion gesagt wird, mach das so und so. Wenn man sich gute Zeitschriften anschaut, wie z.B. das Antifaschistische Infoblatt, da sind die Artikel hervorragend formuliert und allgemeinverständlich, ohne deswegen flach zu werden.
Also ich glaube nicht, dass der Anspruch fallen gelassen wurde. Vielleicht sollte man in der Redaktion öfter fallen lassen, dass das der Anspruch wäre, das es für alle verständlich ist.
Das die Artikel jedoch nicht ganz dem Anspruch genüge tragen, ist wahrscheinlich vor allem dem verschuldet, dass ein Großteil der Redaktion Studenten sind und im Fachjargon hängen.
 
Wie ist deine Einschätzung - ist der Likedeeler in Greifswald ein Szenemagazin, oder eher ein Zeitschrift für alle Einwohner?
 
Also ich kann in dem Zusammenhang immer wieder betonen: der Hauptabsatzpunkt in Greifswald ist die Stadtbibliothek. Es ist jetzt vielleicht keine Einwohnerzeitung von Greifswald. Aber es ist auch kein Studentenblatt, weder von der Zusammensetzung der Redaktion, noch vom Leserkreis. Ich denke in der Stadtbibliothek ist es das breite Spektrum der Leseinteressierten.
Ich würde mich aber auch keineswegs nur auf Szene beschränken wollen. Und ich habe auch das Gefühl, dass in den Szeneorten der Likedeeler zwar steht, aber nicht übermäßig viel gelesen wird. Aus der Ecke würde ich auch nicht den großen Hype erwarten.
   
Was sind deine Ausblicke für den Likedeeler?
 
Also was ich mir wünschen würde und wo man die Werbung forcieren könnte ist, dass sich zu den einzelnen Themenschwerpunkten (Frauenthemen, Globalisierungsthemen, Literatur) entweder ein Verantwortlicher, der sich dafür interessiert, oder ein Gruppe von Leuten zusammenfinden, die das dann auch wirklich hauptsächlich managen. Das würde ich als Entwicklung hervorragend finden. Denn dann könnte man sich wirklich darauf spezialisieren, und könnte gezielt Artikel von außen Anfragen, könnte tief einsteigen und hätte für die Gestaltung der Rubrik freie Hand.
Sonst sehe ich keine Probleme - es wird zumindest so weitergehen wie bisher. Aber umso mehr Leute, umso besser wäre die Redaktionsarbeit aufgeteilt. Das wäre hervorragend.
 
ps: und vielleicht so wie die Zapatisten es sagten, die Gemeinsamkeiten wachsen zu lassen.